Warum du Mut brauchst, um deine künstlerische Stimme zu finden 

Woher kommt dieses nagende Gefühl, wenn man mit der eigenen kreativen Arbeit nicht zufrieden ist – obwohl alle einen beglückwünschen, dieses Gefühl, dass unseren Fotos etwas Entscheidendes fehlt, das Echte, das Authentische, unser ganz eigener Ausdruck?

Alle Fotos aus der Ausstellung El Crit del Bosc von Sonja Stich

Wir alle suchen beim Fotografieren unseren eigenen Ausdruck, unsere künstlerische Stimme. Und doch kommt es uns manchmal so vor, als ob wir sie niemals finden. Ein unüberwindliches Hindernis scheint zwischen uns und unserem authentischen kreativen Selbst zu stehen. Es macht uns verrückt, denn wir spüren, dass es ganz nah ist.

Wir wünschen uns, dass unsere Kund:innen uns vertrauen und uns wegen unseres ganz besonderen Stils buchen statt unserer Preise.

Wir wünschen uns die Freiheit, so zu fotografieren, zu malen, zu singen wie wir wollen und davon leben zu können. Wir bewundern andere Künstlerinnen und Künstler, die es geschafft haben, authentisch und kreativ ihrer eigenen Stimme Ausdruck zu verleihen. Sie scheinen genauso unerreichbar in einer anderen Welt zu leben wie unsere künstlerische Stimme.

Unsere Suche kann sich über Jahre ziehen, wir schleichen um unser authentisches künstlerisches Selbst herum, aber kommen ihm einfach nicht näher. Die Anstrengung wird irgendwann zu groß, bis wir schließlich aufgeben. Wir sagen uns und der Welt, dass wir doch kein:e Künstler:in sind und ziehen uns zurück oder brennen aus. Wir lassen dann vielleicht unsere Kund:innen entscheiden, was und wie wir fotografieren, ohne selbst noch künstlerische Entscheidungen zu treffen.

Ich habe das alles erlebt. Ich habe lange nach meiner künstlerischen Stimme gesucht, zuerst als Designerin, dann als Fotografin, habe andere um ihre kreative Freiheit beneidet und erfolglos versucht, ihre Arbeit zu kopieren.

Meine eigene künstlerische Stimme habe ich erst gefunden, als ich in einem anderen Bereich meines Lebens den Mut hatte, auf meine Intuition zu hören und gegen den Strom zu schwimmen:

Ich habe meine Kinder nicht zur Schule geschickt, weil ich intuitiv wusste, dass es in diesem Moment ihres Lebens nicht gut für sie war. Diese intuitive Sicherheit hat mich mutig gemacht, sie hat mir die Kraft gegeben, für meine Kinder und für meine Überzeugung zu kämpfen.

Die Gewissheit hat sich auch auf meine Fotografie übertragen. In dem Moment, als ich entschieden habe, meinen eigenen Weg als Mutter zu gehen, war es ganz natürlich, es auch in der Fotografie zu tun. Ich wollte das freie Leben meiner Kinder und ihrer Freunde fotografieren, um zu zeigen, wie schön es war. Dabei habe ich mich weder von fotografischen Regeln noch von Trends abhalten lassen, das zu fotografieren, was mir wichtig war.

Ich hatte endlich meinen eigenen Ausdruck, mein Thema und meine visuelle Sprache gefunden.

Während fast alle Fotografinnen um mich herum ihre Kinder in sauberen Kleidern mit Gegenlicht im Mohnblumenfeld fotografierten, habe ich unser Leben so fotografiert, wie es war.

Chaotisch und nicht immer hübsch. Die Meinung anderer war mir nie egal, aber sie hat mich nicht davon abgehalten, auf meine Art zu fotografieren. Inzwischen gibt es einen Namen dafür: dokumentarische Familienfotografie, damals gab es ihn nicht. Meine Fotos bekamen Aufmerksamkeit, weil sie anders waren, sie wurden publiziert, ausgestellt und ich wurde eingeladen, über meine Arbeit zu schreiben. Aber sie wurden auch kritisiert und ignoriert.

Auch du hast deine eigene künstlerische Stimme und weißt insgeheim, was sie sagen will. Wenn du das Gefühl hast, deiner Arbeit fehlt etwas, dann ist es etwas anderes:

Was dir fehlt, ist der Mut, deiner Stimme Ausdruck zu verleihen.

Du hast vielleicht Angst davor, kritisiert zu werden, so wie ich über lange Zeit. Deshalb hast du vielleicht versucht, die beliebten Künstler:innen zu imitieren, oder du fragst deine Kund:innen, was sie von dir sehen wollen. Es ist viel weniger schmerzhaft, für etwas kritisiert zu werden, mit dem man sich nicht identifiziert und braucht weniger Mut, mit den Stimmen anderer zu sprechen.

Für die eigene Stimme kritisiert zu werden, fühlt sich schlimm an. Es kann unsere Welt ins Wanken bringen und uns den Boden unter den Füßen wegziehen. Wir fühlen uns dann ausgestoßen, allein, schutzlos. Diese Ängste stammen aus unserer Kindheit, als wir ganz alleine wirklich schutzlos gewesen wären. Damals haben wir vielleicht gelernt, dass wir gefallen müssen, um akzeptiert und beschützt zu werden. 

Aber gefallen heißt, unauffällig sein, das Bestehende nicht in Frage stellen, sich anpassen. All das ist das Gegenteil von kreativ sein.

Das, was dir vermeintlich Sicherheit gibt, blockiert deine Kreativität.

Deshalb brauchst du Mut, um kreativ zu sein. Du musst deine sichere Zone verlassen, um mit deiner eigenen Stimme zu sprechen. Du musst es aushalten, kritisiert zu werden. Und du wirst kritisiert werden, daran führt kein Weg vorbei. Die Gesellschaft will nicht, dass du anders bist. Sie will, dass du unkompliziert bist und nichts in Frage stellst. Sie will keine Künstler:innen, aber paradoxerweise bewundert sie sie gleichzeitig.

Alle erfolgreichen Künstler:innen wurden und werden vehement kritisiert. Das, was sie von der Mehrheit unterscheidet, ist, dass sie den Mut haben, trotzdem ihre eigene Stimme nicht zu verleugnen.

Vielleicht hast du es ja auch schon einmal ausprobiert: Du hast etwas geschrieben, fotografiert, ausgedrückt, das aus deinem Inneren kam. Es fühlte sich richtig und gut an. Du warst glücklich, ausgeglichen und stolz. Du hattest das Gefühl, deine Stimme gefunden zu haben. Und dann kam die Kritik, entweder direkt ausgesprochen oder in Form von Liebesentzug. Plötzlich wurde dein Foto auf Instagram ignoriert. Statt 100 Herzchen bekam es nur 20. Oder statt 20 nur 2. Kein Kommentar, nichts. Dein Foto wurde bei einem Wettbewerb nicht ausgewählt, die Fotografie-Zeitschrift hat auf deine Anfrage nicht reagiert. Du fühltest dich ungeliebt und ausgestoßen.

Wir flüchten uns dann schnell in die Sicherheit der Gruppe und fotografieren wieder so, wie man es von uns erwartet. Wir lachen unseren Fauxpas weg und fügen uns wieder in den Chor der anderen Stimmen ein. Diese Selbstverleugnung ist das nagende Gefühl, das dich so unzufrieden macht.

Wenn du deine eigene Stimme aus Angst vor Kritik ignorierst, kannst du weder authentisch noch kreativ sein.

Du selbst stehst dann zwischen dir und deiner Stimme. Sie ist nicht unerreichbar, sie ist ganz nah, dein Unterbewusstsein weiß genau, was sie sagen will. Aber du erlaubst ihr nicht zu sprechen, weil du Angst davor hast, alleine zu sein. 

Was du zur Seite schieben musst, ist deine Angst vor Zurückweisung. Du kannst nur kreativ sein, wenn du den Mut hast, mit deiner eigenen Stimme zu sprechen.

Du kannst nicht beides haben. Du kannst nicht authentisch sein und gleichzeitig erwarten, dass alle deine Arbeit lieben.

Wenn du kreativ sein willst, musst du deine Arbeit lieben. Du musst deiner eigenen Stimme vertrauen, ihr zuhören und sie sprechen lassen. Und dann musst du aushalten, dass nicht alle sie hören wollen.

Es ist stärkend und verbindend, wenn man diesen Weg nicht alleine gehen muss. Unsere Mission ist es, allen, die zu uns kommen, den sicheren und nährenden Raum zu geben, den man braucht, um sich auf die Suche nach der eigenen Stimme zu machen und sie ohne Angst zum Ausdruck zu bringen. 

Jede Stimme wird in unseren Workshops und Retreats gehört. Jede:r einzelne geht den eigenen Weg, taucht in die eigenen Themen und Ausdrucksformen ein, um sie ans Licht zu bringen.

Die Gruppe ist Zeugin dieses kreativen Prozesses, und gemeinsam feiern wir den Mut, den es braucht, sich zu zeigen. Gemeinsam bewundern wir die besonderen Fotos, die während der Reise zur eigenen Stimme entstehen dürfen. 

Die Inspira-Tribu ist eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt, stärkt und inspiriert.

Die Fotos in diesem Beitrag stammen aus der Ausstellung El Crit del Bosc (Der Schrei des Waldes) von Sonja Stich in Santa Coloma de Farners 2021

Auszug aus der Projektbeschreibung der Kuratorin Irmina Walczak:

El Crit del Bosc ist eine Fotoausstellung und gleichzeitig eine politische Aktion im Namen aller lebenden und unbelebten natürlichen Elemente, die den Wald Les Guilleries ausmachen und die wieder einmal von der menschlichen Gier und Ignoranz bedroht sind. Sonja Stich will uns nicht nur mit diesen Charakteren bekannt machen, sondern ist unermüdlich bemüht, den Stimmen des Waldes sichtbare Formen zu geben. Mit einer experimentellen Serie porträtiert sie die zerstörerische Kraft, die einen langsamen Tod bringt. Oneirische Bilder, die uns verstören und verunsichern, verweisen auf katastrophale Ereignisse wie brennende Wälder, verseuchtes Wasser, zerstörerische Stürme. Der Wald blutet.

Das Porträt, das uns die Künstlerin präsentiert, ist geprägt von der Vertrautheit mit dem Ort und seinen Menschen. Ihre Bilder erfassen die Komplexität dieses Organismus, seine Schönheit und seine Geheimnisse. Sie versetzen uns in der Raum-Zeit in das Primitivste und Gelassenste, das in uns steckt, und geben uns unsere Vitalität zurück.

Irmina Walczak

Fotos der Ausstellungseröffnung: Eva Radünzel


Unsere Retreats

sind ein Ort für Austausch und Inspiration. Sie finden in einem wunderschönen Landhaus in Spanien, nicht weit vom Meer statt. In einer kleinen Gruppe von maximal acht Fotograf:innen erforschen wir gemeinsam die Kreativität und Intuition, die in jedem einzelnen steckt.

Intuit-Retreat

Intuit ist eine einzigartige Kombination aus Fotografie-Workshop und Selbstreflexion in der Natur. Im Kontakt mit der Natur und im Austausch in der Gruppe wirst du auf vielfältige Weise gespiegelt. Du entdeckst deine ganz individuelle Kreativität, die sich nicht aus Äußerlichkeiten speist, sondern aus dem Vertrauen in die Kraft deiner Intuition.

Element-Retreat

Geleitet von den Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft erforschen wir im Element-Retreat das kreative Potenzial der Fotografie. Du lernst Methoden kennen, um deine Ideen zu sortieren und zu präsentieren und erarbeitest in Zusammenarbeit mit der Gruppe ein eigenes künstlerisches Projekt.

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